Das Projekt KulturGutRetter entwickelt einen Workflow zur optimalen Erfassung und Verwaltung von Daten für die Notfallrettung von Kulturgut.
Autoren: Elvira Iacono (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, DAI) und Bernhard Fritsch (Data Manager, DAI)
Die Notfallrettung von gebautem oder beweglichem Kulturerbe im Katastrophenfall erfordert die Sammlung potenziell großer Informationsmengen. Um diese Daten zu verarbeiten, entwickelt das Projekt KulturGutRetter einen Workflow zur Datenerfassung im Einsatz mit mobilen Geräten und ein benutzerfreundliches System für die Datenverwaltung. Dabei wird nicht nur die Dokumentation von beweglichem oder unbeweglichem Kulturgut, sondern auch die Verfolgung des Standortes und des Bearbeitungsstatus der einzelnen Kulturgüter in den verschiedenen Rettungsphasen berücksichtigt. Darüber hinaus werden die Informationen nach Abschluss der Feldarbeit synchronisiert und für die weitere Verwendung der Daten verarbeitet.
Im KulturGutRetter-Projekt, einer Kooperation zwischen dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI), der Bundesanstalt Technischen Hilfswerk (THW) und dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA), sind verschiedene Fachgebiete vertreten, die alle Aspekte eines Notfalleinsatzes abdecken: von der Dokumentation der Schäden am betroffenen Kulturerbe über die Bergung der Objekte, deren Reinigung, Notkonservierung oder Lagerung bis hin zur Sortierung und Lagerung des Kulturerbes.
Jeder dieser Schritte generiert spezifische Daten. Der Leitgedanke besteht darin, alle diese Daten strukturiert zu erfassen, sodass jederzeit der aktuelle Zustand eines Objekts sowie der Zustand zum Zeitpunkt der Bergung rekonstruiert werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, steht die „QField“-App zur Verfügung, um den Bedürfnissen der verschiedenen Experten gerecht zu werden und im Ernstfall die erforderlichen Mindeststandards sicherzustellen. Da QField im Grunde ein mobiles Tool für das GIS-System QGIS ist, konzentriert es sich zunächst auf Geodaten. Allerdings ist es jedem möglich, eigene Formulare und Datenmodelle für ein bestimmtes Projekt zu erstellen, sodass die Erwartungen von ExpertInnen unterschiedlicher Fachgebiete erfüllt werden. Die Objekte können über die App hochladen werden, darunter Texte, Fotos, Audio- und Videoaufzeichnungen.
Nachdem die Daten vor Ort erfasst wurden, stehen sie allen Beteiligten in der digitalen Dokumentationssoftware „Field Desktop“ zur Verfügung. Auf diese Weise können alle während des Einsatzes gesammelten Informationen in einem Paket übergeben oder bei Bedarf online zur Verfügung gestellt werden.
Notwendige Anforderungen
Der Einsatz mobiler Geräte im Feld muss bestimmte Anforderungen erfüllen, sowohl in Bezug auf die Hardware als auch auf die Software. Die mobilen Geräte müssen robust und dennoch leicht und einfach zu transportieren und zu bedienen sein, außerdem müssen sie zuverlässig und in der Lage sein, relativ große Datenmengen schnell zu verarbeiten, damit die BenutzerInnen ohne Unterbrechung arbeiten können. Um dies zu erreichen, muss auch die Software entsprechend angepasst werden und gleichzeitig die Anforderungen an die Dateneingabe erfüllen. Außerdem muss sie in der Lage sein, alle gesammelten Daten zu einem Gesamtpaket zu synchronisieren und zusammenzuführen.
Die verschiedenen Arbeitsbereiche des KulturGutRetter-Projekts werden QField auf unterschiedliche Weise nutzen oder sich auf unterschiedliche Aspekte der Datenerfassungs-App konzentrieren. Dennoch werden einzelne Datensätze durch ein gemeinsames ID-System und in den meisten Fällen auch durch ihre geografischen Daten verknüpft. Während die Verknüpfung von Geoinformationsdaten die Grundfunktion von QField darstellt, wird parallel dazu ein spezifisches ID-System aufgebaut, das auf der Verwendung von UUIDs (Universally Unique Identifier) basiert und auch die Verwendung von QR-Codes umfasst.
Beispiele von mobilem Kulturgut, das mit einer UUID via QR Code verknüpft ist | Foto: DAI, Eva Götting-Martin.
Im Rahmen des Projekts wurde eine Karte im Scheckkartenformat entwickelt, die an jedem beweglichen Kulturgut angebracht werden kann. Die Karte hat einen kleinen Fotomaßstab und eine Farbtabelle, die bei der fotographischen Dokumentation von Vorteil ist. Darüber hinaus ist das Objekt über die UUID – einmal als Klartext und einmal in Form eines QR-Codes – direkt mit dem entsprechenden Datensatz verknüpft. Durch Scannen des QR-Codes kann er in der App aufgerufen werden. Zusätzlich zu den Inhaltsbezeichnungen wird unbewegliches Kulturerbe durch UUIDs eindeutig identifiziert. Sobald jedoch eine Umwandlung von unbeweglichem in bewegliches Kulturerbe stattfindet, beispielsweise bei der Bergung eines Architekturstücks, wird dieses Objekt ebenfalls mit einer Karte und einem QR-Code versehen.
Dieses System bildet das Grundgerüst, um mit Hilfe von QField alle Objekte und Daten eindeutig zuzuordnen und abrufbar zu dokumentieren. Um die riesigen Datenmengen schließlich zu speichern und leicht verständlich und nutzbar zu machen, kommt das Dokumentationssystem Field Desktop (iDAI.field) zum Einsatz. Diese Software wurde ursprünglich am DAI für die Dokumentation von Ausgrabungen entwickelt, hat sich aber bereits für einen breiteren Bereich der Datenerfassung bewährt.
Links: Interface von QField auf einem mobilen Endgerät, rechts: Interface von Field Desktop | Bild: Bernhard Fritsch.
Das System wird seit Kurzem auch eingesetzt, um Kulturschaffenden in der Ukraine darin zu schulen, gefährdetes bauliches Kulturgut zu dokumentieren. Der Vorteil liegt neben einem kompakten Überblick über die Geodaten in einer guten Fotoverwaltung und einer übersichtlichen Oberfläche, die sich nur auf das Notwendige konzentriert – auch wenn technisch noch viel mehr möglich wäre, im Ernstfall aber keinen größeren Nutzen bringt.
Mobiles und immobiles Kulturerbe
Der Hauptvorteil der App-Nutzung ist die Erfassung des von einer Katastrophe betroffenen Kulturerbes. Dieser Teil wird von in verschiedenen Fachgebieten ausgebildeten Expertinnen und Experten bearbeitet, die unterschiedliche Methoden und Terminologien verwenden. Diese unterschiedlichen Hintergründe werden im QField-Datenmodell berücksichtigt. Die Fachleute arbeiten teilweise in verschiedenen Formularen und Registerkarten und synchronisieren die Daten jeder Arbeitseinheit. Für die Dokumentation immobilen Erbes ist es in erster Linie wichtig, das Baudenkmal zu kartieren und anschließend Informationen darüber mit weiteren Angaben zu Schäden, Zustand und den zur Sicherung des Objekts zu ergreifenden Maßnahmen zu ergänzen. Die Lokalisierung und die eindeutige Benennung des Standorts sind in dieser Phase ebenfalls von entscheidender Bedeutung, da diese Informationen auch innerhalb der App genutzt werden, um bewegliches Erbe zu verorten. Die Verwendung von Dropdown-Menüs oder Optionsfeldern als Widgets hilft dabei, die Aktionen, die in Bezug auf diese Objekte geplant sind oder durchgeführt werden, dynamisch zu dokumentieren. Sie sind außerdem ein sehr gutes Werkzeug, um Rechtschreibfehler oder Zahlenverdrehungen zu vermeiden. Zusätzlich zur grundlegenden Dokumentation des immobilen Kulturerbes muss die App einige zusätzliche Aufgaben ausführen. Auch die mit dem Einsatz eines Feldlabors verbundenen Schritte zur Reinigung und ggf. Notkonservierung der Objekte vor Ort sind zu dokumentieren. Innerhalb dieses Workflows durchlaufen die Objekte verschiedene Phasen (Dokumentation, Trocken- und/oder Nassreinigung, Stabilisierungsmaßnahmen, Verpackung etc.), in denen sie von verschiedenen Fachleuten bearbeitet werden. Daher müssen die Daten von jeder Station an die nächste Station weitergegeben werden.
Die Verwendung von QR-Codes und der Aufbau eines lokalen Netzwerks setzen die zur Unterstützung von QField erforderliche Infrastruktur voraus.
Die Textinformationen werden in Formulare eingegeben, die von den verschiedenen Einheiten vordefiniert werden. Diese Formulare sind so konzipiert, dass sie Standardanforderungen erfüllen. Wenn nötig ist es jedoch auch möglich, Felder selbst hinzuzufügen, indem das grundlegende QGIS-Projekt bearbeitet wird, das dann an die mobilen Geräte übermittelt wird. In Fällen, in denen die Eingabe von Textinformationen nicht möglich ist oder mehr Platz benötigt wird, können auch Audio- und Videoaufzeichnungen erstellt und dem jeweiligen Datensatz hinzugefügt werden.
Insgesamt enthält der einzelne Datensatz die gleiche Datenstruktur für beide Arten von Objekten – bewegliches und unbewegliches Erbe – und kann in einem digitalen Projekt für einen Noteinsatz gespeichert werden. Jedes Objekt wird durch eine UUID eindeutig identifiziert, das auch in Form eines QR-Codes dargestellt werden kann. Die UUID wird mit räumlichen Informationen verknüpft, um den nächstmöglichen Standort zu erfassen und Standortänderungen während des Einsatzes zu verfolgen. Diese Datenstruktur kann zur weiteren Verwendung oder Archivierung problemlos in andere Softwareumgebungen exportiert werden.
QField
Die QField-App kann als mobile Erweiterung des Open-Source-Geoinformationssystems QGIS betrachtet werden. Das bedeutet, dass alle Einstellungen und Formulare, die im Feld mit mobilen Geräten mit installiertem QField verwendet werden sollen, als ein einziges Projekt in QGIS vorbereitet werden müssen. Das Projekt wird dann auf das mobile Gerät übertragen und kann dort mit Daten befüllt werden. Um alle Informationen verschiedener Geräte zusammenzuführen, wird das Projekt von jedem Gerät zurück in dasselbe QGIS-Projekt übertragen und kann dann erneut auf das mobile Gerät kopiert werden, einschließlich aller Daten der anderen Tablets oder Smartphones. Vereinfacht werden kann dieser Arbeitsablauf auch durch den Einsatz einer Cloud-Lösung zur gleichzeitigen Synchronisierung der Projekte auf den verschiedenen Geräten, allerdings erfordert dies einen etwas aufwändigeren Infrastrukturaufbau, der vor Ort vermutlich nicht gewährleistet werden kann – aber genutzt werden kann.
Die Verwendung einer mobilen Workstation (auf der QGIS installiert ist) als Herzstück für die digitale Dokumentation vor Ort bietet eine effektive Möglichkeit, mit einer Reihe mobiler Geräte und der App QField zu arbeiten.
In jedem Fall ist es möglich, Daten in einer Offline-Umgebung zu erfassen. Die Hauptprojektdatei kann manuell über Kabelverbindungen zwischen den Mobilgeräten und der Workstation befüllt werden. Wenn möglich, hilft die Nutzung eines lokalen Netzwerks und die Möglichkeit, alle Geräte online (d. h. ohne Verbindung zum World Wide Web) zu synchronisieren, um schneller und effizienter zu genauer zu arbeiten, da die Fehlerwahrscheinlichkeit geringer ist.
Field Desktop
Seit einigen Jahren wird im DAI die Software Field Desktop als digitales Dokumentationssystem für archäologische Ausgrabungen entwickelt. Es wurde festgestellt, dass Field Desktop auch alle Anforderungen erfüllt, um ein in sich geschlossenes Datenpaket zur Sicherung des kulturellen Erbes zu erstellen. Die Anwendung wurde kürzlich ins Ukrainische übersetzt und wird derzeit zur Schulung lokaler Fachleute in der Dokumentation gefährdeten Kulturerbes eingesetzt. Die für die Felddatenerfassung (mit QField) verwendete Datenstruktur lässt sich hier übersichtlich abbilden und das Programm bietet eine starke Fotoverwaltung in Verbindung mit einzelnen Datensätzen und den entsprechenden räumlichen Basisinformationen. Wie QField ist die Software Open Source, sodass jeder Dritte, der die Daten erhält, sie öffnen und bearbeiten kann, ohne Kenntnisse im Umgang mit einer komplexen GIS-Umgebung zu benötigen.
Fazit
Digitale Tools sind ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Arbeitsablaufs, der derzeit im Rahmen des KulturGutRetter-Projekts für den Notfalleinsatz im Kulturerbe entwickelt wird. Die Vorteile liegen eindeutig in der schnellen und genauen Erfassung einer großen Menge notwendiger Daten auf sehr strukturierte Weise, sodass diese Daten auch nach Abschluss der Arbeiten vor Ort problemlos genutzt werden können. Das Endziel besteht also neben der Beschaffung aller notwendigen Informationen bei der Arbeit an der Rettung des Kulturerbes darin, ein endgültiges Datenpaket zu haben, das der gastgebenden Institution übergeben werden kann
kann von anderen leicht gelesen und bearbeitet werden. Für die Implementierung wurden die QField-App für die Feldarbeit und der Field Desktop für die Datenbereitstellung ausgewählt
Datenerfassung und -verwaltung nicht nur, weil sie alle technischen Anforderungen erfüllen, sondern auch, weil sie in der archäologischen Gemeinschaft immer beliebter werden.
Daher besteht die Möglichkeit, dass die Experten, die am KulturGutRetter-Projekt teilnehmen, bereits mit diesen Apps oder ähnlichen Systemen vertraut sind. Dies wird auch dazu beitragen, die Abläufe in einer Notfallsituation zu beschleunigen und einen Einsatz erfolgreich abzuschließen.
Weitere Informationen
Der hier beschriebene Workflow benötigt als Mindestvoraussetzung die Software QGIS mit der Version 3.30, um die Audio- und Videoaufzeichnungsfunktionen nutzen zu können. Ebenso bietet QField Version 2.8 neue Verbesserungen zur Durchführung der erforderlichen Aufgaben. Für beide Programme ein aktives
Die Community entwickelt ständig neue Versionen, die auch dazu beitragen werden, die Arbeit der Cultural Heritage Response Unit (CHRU-Einheit) zu verbessern.
Field Desktop bietet die ukrainische Sprachunterstützung ab Version 3.0 und wird auch gepflegt. Um mit dem Tablet und einer externen Kamera fotografieren zu können, ist bei manchen Geräten seit Android 11 aus Sicherheitsgründen von Google eine extra App nötig, um die Kamera fernzusteuern.