Die Cultural Heritage Response Unit (CHRU) entwickelt ein digitales Dokumentationssystem, um sowohl die Objekte selbst, als auch die Maßnahmen zu dokumentieren, die bei Einsätzen zum Schutz des kulturellen Erbes durchgeführt werden. Die Einheit ist mit einer eigenen mobilen IT-Infrastruktur ausgestattet, so dass das Dokumentationssystem autonom arbeiten kann. Das hier beschriebene System wird in Zusammenarbeit zwischen der Field Tech Support Unit (FTS) des THW und der Archäoinformatik-Abteilung des DAI (WISS-IT).
Hardware
Zentrales Element des gesamten Systems ist eine transportfähige Box, in der ein Server (Mini-PC/Barebone) und ein Router installiert sind. Die verschiedenen Fach-Einheiten der CHRU können vor Ort über Tablets oder Smartphones Daten in vordefinierte Masken eingeben. Diese Geräte können auch an einem angeschlossenen Arbeitsplatz über LAN oder WLAN mit dem Server verbunden werden. Im Server sind zusätzlich SSD-Festplatten eingesteckt, die im Notfall schnell entnommen und gesichert werden können.
Server, Router und Festplatten nehmen nicht mehr Platz ein als ein Standard-PC-Tower und lassen sich leicht transportieren. Zusätzlich besteht die Ausstattung derzeit aus zwei Tablet-Koffern mit je 20 mobilen Geräten und zwei Notebooks, einer sehr kleinen Webcam für Fotoaufnahmen auf einem beleuchteten Tisch und mehreren Access Points zum Aufspannen des lokalen Netzwerkes. Der Zugang zu allen Geräten ist durch einen VPN-Tunnel und strenge Firewall-Regeln gesichert. Damit erfüllt das System alle Anforderungen an die IT-Sicherheit; alle Hardwarekomponenten werden ständig aktualisiert und verbessert.
Arbeitsbereich des IT-Experten mit Kisten voller mobiler Geräte | Foto: Bernhard Fritsch, DAI
Software
Die Datenerfassung erfolgt über mobile Geräte unter Verwendung der App ‚QField‘. QField ist ein mobiler Client des Geoinformationssystems QGIS und wurde vor allem durch das verwendete Datenmodell an die Bedürfnisse der CHRU angepasst. QGIS / QField sind Open-Source-Programme und erlauben daher eine große Kontrolle über die Funktionen und bieten leicht die Möglichkeit, andere Geräte zu integrieren.
Alle gesammelten Daten werden in einer PostgreSQL-Datenbank gespeichert, die auf dem zentralen (Mini-)Server installiert ist. Dadurch ist es möglich, die Daten live zu synchronisieren und so den Arbeitsfortschritt auf allen eingesetzten Geräten zu verfolgen oder den Einsatz durch eine schnelle Einschätzung der Situation auf Basis der aktuellen Daten anzupassen.
Auch wenn der Schwerpunkt des Programms ursprünglich auf Geodaten lag, können eine Vielzahl von Datentypen erfasst werden. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Audio-, Video-, Foto- und Textinformationen hinzuzufügen. Die vordefinierten ICA-Formulare sind für die Dokumentation von Gebäuden und Schäden an der Bausubstanz konzipiert, während die Formulare für MCA eine Prozesskette abbilden, die den Rettungsweg der Objekte von der Bergung, Reinigung und Sicherung bis zur Verpackung und Zwischenlagerung verfolgt. Ein gemeinsames ID-System gewährleistet die Verbindung beider Bereiche, um die Standorte der beweglichen Kulturgüter in den Gebäuden abzubilden und die an den Objekten durchgeführten Verfahren unabhängig von den geografischen Informationen zu dokumentieren.
Beispiel für Eintragungsformulare: (links) für bewegliche Kulturgüter; (rechts) für unbewegliche
Kulturgüter | Fotos: Bernhard Fritsch, DAI
Die besonderen Herausforderungen des Einsatzes in einer Notsituation bringen einen großen Aufwand in der Abwägung zwischen (wissenschaftlicher) Genauigkeit in der Dokumentation des kulturellen Erbes und minimalen, unter Druck zu erfassenden Daten mit sich, auch im Hinblick auf eine finale Datenübernahme im Sinne der FAIR (Findable, Accessible, Interoperable and Reusable) Datenprinzipien. Aus technischer Sicht bietet es sich an, die Flexibilität einer PostgreSQL-Datenbank zu nutzen, um das QField-Projekt je nach Situation anzupassen, ohne die Datenbank im Hintergrund bearbeiten zu müssen.
Auch die zahlreichen Bilder, die direkt über mobile Geräte oder in der Fotostation über eine externe Kamera aufgenommen werden, werden mit Hilfe der AutoSync-App auf den Server kopiert und können von dort aus über den NginX-Webservice von allen anderen angeschlossenen Geräten zur Ansicht abgerufen werden. Zusätzlich können weitere externe Daten, wie Laserscan- oder Structure for Motion (SfM)-Daten, in einer auf dem Server installierten Nextcloud-Instanz gespeichert und gesichert werden. Weiterhin ermöglicht Nextcloud Talk die direkte Kommunikation zwischen den im Netzwerk registrierten Geräten.
Für individuelle Zusatzfunktionen können Apps auf einzelnen oder allen Geräten installiert werden, wie z.B. Apps zur weiteren Bildverarbeitung oder zur Steuerung von GNSS-Geräten.
Netzwerk und Verfahren
Der Einsatz der Hard- und Software kann in Bezug auf Stromversorgung und Netzwerkanbindung an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden.
Die Standardvariante (Variante A) sieht eine Datenerfassung in einem lokalen Netzwerk ohne Internetanschluss, aber mit ausreichender Stromversorgung vor. In diesem Fall baut der Router ein lokales Netzwerk auf und alle mobilen Geräte, die sich innerhalb dieses Netzwerks befinden, speichern die Daten direkt in der PostgreSQL-Datenbank. Das QField-Projekt muss dafür vorab für die Online-Aufzeichnung eingerichtet werden. Entscheidend ist dabei die stabile Abdeckung des Einsatzortes mit dem lokalen Netzwerk. Dies kann durch die gezielte Installation von Access Points erreicht werden, die bei Bedarf schnell verlegt werden können, um ein anderes Gebiet für die Datenerfassung abzudecken. Variante A ist ein geschlossenes System, das eine parallele und schnelle Datenerfassung mit einer großen Anzahl von mobilen Geräten für einen Standort innerhalb des lokalen Netzes ermöglicht.
Dokumentation von immobilen und mobilen Kulturgütern mit einem Tablet | Fotos: Marcel Pasternak/ Constance Domenech, DAI
Es ist möglich, ein vorhandenes WLAN zu nutzen oder den Router bzw. einen zweiten Router über 5G mit einer Internetverbindung zu versorgen. So kann das stets live synchronisierte Dokumentationssystem auf zwei oder mehr entfernte Standorte erweitert werden (Variante B). Die Kommunikation und der Datenimport zum Server erfolgt dann über eine 5G-Datenverbindung. Einzelne Tablets, die an entfernten Standorten eingesetzt werden, können sich direkt mit dem Gesamtprojekt verbinden. In Variante B könnte auch eine Verbindung zu einem weiteren Server, z.B. in der Einsatzzentrale in Deutschland, aufgebaut werden und dieser zweite Server als Backup-Option genutzt werden. Dieser Datentransfer kann jedoch nur nach Genehmigung durch die lokale Host-Institution erfolgen und stellt vorrangig eine Absicherung der Datenhaltung dar.
QField bietet auch die Möglichkeit, Daten offline zu erfassen (Variante C). Die Daten der einzelnen Geräte müssen dann nach Abschluss der Datenerfassung manuell zusammengeführt werden. Ein auf diese Weise synchronisiertes Projekt kann am nächsten Tag für alle einzelnen mobilen Geräte zugänglich gemacht werden, so dass alle Geräte wieder auf die gleichen Daten zugreifen können. Die Varianten C und A können auch so kombiniert werden, dass einzelne mobile Geräte, die sich nicht mehr in Reichweite des lokalen Netzes befinden, ebenfalls zur Datenerfassung genutzt werden können. Die Daten dieser Geräte können dann manuell in die zentrale PostgreSQL-Datenbank eingepflegt werden.
In Variante D schließlich steht weder das Internet noch ausreichend Strom für die Offline-Erfassung durch die Tablets zur Verfügung. In diesem Fall können die Daten auf Papierformularen eingegeben werden, die mit den Eingabemasken in QField identisch sind. Fotos können mit externen Kameras aufgenommen werden. Diese Variante macht die Datenerfassung sehr aufwändig und fehleranfällig und ist nur im äußersten Notfall anwendbar.
Datenverwaltung
Der größte Teil der Dokumentation aus dem Feld kann in einer zentralen PostgreSQL-Datenbank gespeichert werden. Da Fotos ein weiteres zentrales Element der Datenerfassung sind, wurde die Datenbank um einen NginX-Webserver ergänzt, der es ermöglicht, Fotos, die von verschiedenen mobilen Geräten aufgenommen wurden, für alle Geräte sichtbar zu machen. Die Fotos können an einer zentralen Stelle hochgeladen werden und der Pfad wird automatisch in der PostgreSQL-Datenbank entsprechend geändert. Auf diese Weise kann jedes Tablet über den Link in der Datenbank auf die Fotos der anderen Geräte zugreifen.
Darüber hinaus können während eines Einsatzes eine Reihe weiterer Daten wie Laserscans, Inventarlisten oder Fotos von externen Kameras gesammelt werden. Diese Daten werden auf externen Festplatten gespeichert, die nach den üblichen Regeln der Datenverwaltung an den Server angeschlossen sind, so dass die Festplatten im Notfall schnell entnommen und gesichert werden können, ohne das gesamte System einpacken zu müssen.
Rückverfolgung der Datendokumentation im Kontrollraum | Foto: Marcel Pasternak, DAI
Zusammenfassung
Dieses System zur Datenerfassung im Feld besteht aus mehreren Einzelkomponenten, die alle kommerziell erhältlich, Open Source und frei verfügbar sind. Die Konfiguration der Geräte und die Anpassung der Software kann von den Projektmitgliedern direkt und selbständig vorgenommen werden, so dass das Projekt selbst immer ein hohes Maß an Kontrolle über das Gesamtsystem ausüben kann. Auch Anpassungen können schnell vorgenommen werden.
Im September 2024 wurde diese IT-Architektur im Rahmen einer CHRU-Vollübung getestet. In Bezug auf die erfassten Daten war die Übung sehr erfolgreich und das digitale Dokumentationssystem hat seinen Zweck erfüllt. Die technische Umsetzung in Bezug auf die Einrichtung des lokalen WLAN, den sicheren Zugriff auf den Server und die Datenbank sowie die parallele Datenerfassung von mehreren mobilen Geräten mit sofortiger Synchronisation hat effektiv funktioniert. Die vorhandenen Defizite bezogen sich vor allem auf ganz praktische Dinge wie die Größe und Verkabelung der Geräte in der Base of Operations (BoO), aber vor allem auf die Optimierung der Absprachen, Abläufe und Prozesse zwischen den einzelnen Fachbereichen und der IT.
Das nächste Ziel muss daher sein, den gesamten Aufbau der IT-Infrastruktur für einen CHRU-Einsatz noch robuster und stabiler zu gestalten, um mögliche Fehlerquellen bei der Datenerfassung durch Nicht-IT-Experten zu minimieren. Hier steht die Versorgung des Einsatzgebietes mit stabilem WLAN im Vordergrund, damit die Variante A des Systems umgesetzt werden kann und ein manueller Datenabgleich weitestgehend vermieden wird. Erst dann kommen die Vorteile der digitalen Dokumentation wie Schnelligkeit, Genauigkeit und Struktur der Daten oder die geringe Anzahl von Fehlerquellen bei der Datenqualität zum Tragen.
Daniel Lorenz, THW, und Bernhard Fritsch, DAI.
Auszug aus dem Artikel “IT infrastructure for cultural heritage response missions”, der ursprünglich im Technical Bulletin #4 von PROCULTHER-NET2 veröffentlicht wurde.