Naturkatastrophen und anthropogene Landnutzungszwänge führen immer häufigen zu zerstörerischen Ereignissen, die schwerwiegende Schäden an archäologischen Stätten und Kulturerbestätten (ACH) verursachen. Im Rahmen des Projekts KulturGutRetter bietet das Team Fernerkundung und Überwachung kosteneffiziente Unterstützung auf der Grundlage von Satellitendaten aus verschiedenen Quellen für die Schadensbewertung und -planung vor Ort. Die Studien sind in drei Hauptansätze unterteilt: Präventivmaßnahmen, Zeitreihenanalyse (oder Überwachung) und schneller Einsatz.
Quellen und Workflows
Ein weiteres Ziel unseres Arbeitsbereichs ist es, kostenlose und einfach zu verwendende Analyse-Toolboxen zu finden, die es Archäologen, Kulturerbe- und Katastrophenschutzexperten ermöglichen, mit diesen Datensätzen zu arbeiten. Konkret wollen wir die Nutzbarkeit und Praktikabilität von Fernerkundung und geografischen Informationssystemen (GIS) im Falle einer Krise und einer möglichen Mission der Cultural Heritage Response Unit (CHRU) untersuchen.
Die Fernerkundung spielt eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung einer CHRU-Mission, um Karten und Pläne des Zielgebiets zu erstellen, wobei der Schwerpunkt auf dem kulturellen Erbe und archäologischen Stätten liegt. Wenn möglich, sollten Schäden aus der Ferne kartiert werden, damit das gemeinsame Team aus Kulturerbe- und Katastrophenschutzexperten vor dem Einsatz so viele Informationen wie möglich über die Situation vor Ort hat. Dazu gehören Informationen über die Kulturerbestätten in dem betroffenen Gebiet (Lage, Anzahl, Zugangswege) sowie über sichtbare Veränderungen oder Schäden an den Stätten.
Je nach Art der Krise und den örtlichen Gegebenheiten bleibt möglicherweise nicht genug Zeit, um vor Ort viele Informationen zu sammeln. Außerdem ist möglicherweise nicht klar, wie die lokale Infrastruktur betroffen ist und wie viele nützliche Informationen über das Internet empfangen werden können, sobald das Team am Zielort ist. Das Gleiche gilt für den Einsatz von Drohnen, die in vielen Fällen nicht eingesetzt werden dürfen.
Wir haben Risikofaktoren, Ansätze und verschiedene Daten und Methoden ermittelt, die im Falle eines neuen Untersuchungsgebiets (Abbildung 1) oder in einer Notfallsituation verwendet werden können. Die Risikofaktoren werden auf der Grundlage der Risikoquelle definiert, sind aber nicht völlig unabhängig voneinander, und jede Fallstudie kann mehr als einen Faktor umfassen. Nachdem wir eine Anfrage zu einem Gebiet von Interesse erhalten haben, untersuchen wir je nach der geografischen Ausdehnung des Gebiets und der Anzahl der Standorte die potenziellen Risiken, die vorhanden sein könnten. Auf der Grundlage der zuvor gesammelten und getesteten Erkenntnisse aus verschiedenen Szenarien entscheiden wir dann über die bestmöglichen Ansätze und beginnen mit der Sammlung verfügbarer Datensätze aus verschiedenen Quellen. Diese Quellen können entweder frei zugänglich sein oder von unseren institutionellen Partnern wie dem BKG (Bundesamt für Kartographie und Geodäsie) stammen. Wir haben auch ein Abonnement bei dem proprietären Anbieter Planet Labs, das uns direkten und unmittelbaren Zugang zu VHR-Satellitenbildern von dessen Satelliten SkySat, RapidEye und PlanetScope Dove ermöglicht. Darüber hinaus können offene Datenprogramme aus verschiedenen Quellen wie Maxar hilfreich sein, vor allem in Notfällen.

Abbildung 1. Allgemeiner Arbeitsablauf der Fernerkundungs- und Überwachungseinheit (SAR steht für Synthetic Aperture Radar und TS-Analysis für Time-Series Analysis) | @ Pouria Marzban, DAI
Schneller Einsatz
Für jede Fallstudie stehen mehrere verschiedene Arten von Daten und Methoden zur Verfügung. Im Falle eines schnellen Einsatzes sehen wir uns beispieleweise zunächst die Aktivierungsliste des Copernicus-Notfallmanagementsystems (CEMS) der EU an, um zu sehen, ob es dort bereits Analyseprodukte für unser Interessengebiet gibt. Ist dies nicht der Fall, beginnen wir mit unserer eigenen Datenerfassung und -beschaffung. Es ist wichtig, bei der Wahl der Datenverarbeitungs- und Analysemethoden flexibel zu bleiben. Je nach Verfügbarkeit und Kapazität der Daten nach dem Ereignis entscheiden wir, welche Art von Methode wir anwenden, um potenziell betroffene Standorte zu ermitteln. Wenn wir beispielsweise Zugang zu Radardaten haben, können wir Methoden zur Erkennung von Veränderungen (Schadensbeurteilung) verwenden, die auf Amplituden- und Phaseninformationen beruhen; im Falle von optischen Daten können wir Methoden zur Erkennung von Veränderungen auf der Grundlage von Merkmalen verwenden. Wenn beide Datentypen verfügbar sind, führt die Kombination dieser Methoden zu genaueren Ergebnissen. Dies ist der Vorteil, wenn man Zugang zu mehreren Datenquellen und einem Multisensor-Analyserahmen hat.
Andere Quellen wie die Erdbebenkarten des USGS (die nach Erdbeben erstellt werden) können bei der Festlegung unserer Schwerpunktgebiete hilfreich sein. GIS-Quellen wie OSM und iDAI.gazetteer (gazetteer.dainst.org) werden zur Lokalisierung von Kulturerbestätten verwendet. Wir haben ein QGIS-Plugin namens „KGR-Finder“ entwickelt, das automatisch eine Verbindung zu den oben genannten Quellen herstellen und passende archäologische Punkte auf der Grundlage des definierten AoI herunterladen kann. Als Beispiele zeigen wir in Abbildung 2 Fallstudien, in denen wir verschiedene Analysen kombiniert haben.

Abbildung 2. Beispiel für Raum- und Fernerkundungsdaten zu archäologischen Stätten in QGIS: (oben) Fall des Zyklons Daniel in Libyen, der die Abschätzung von Überschwemmungen, die Schadensbewertung und Datensätze aus verschiedenen Quellen (VHR-Daten von Maxar open data und Planets SkySat) zeigt | @ Pouria Marzban, DAI

Abbildung 2. Beispiel für Raum- und Fernerkundungsdaten zu archäologischen Stätten in QGIS: Fall eines Erdbebens in Marokko (in diesem Fall Analyse von CEMS und VHR-Daten von Maxar open data) | @ Pouria Marzban, DAI
Präventivmaßnahmen und überwachung
Im Falle von Präventivmaßnahmen können Ansätze wie die Erstellung von Gefahrenkarten für ein bestimmtes Gebiet unter Verwendung anderer Produkte aus Satellitendaten, wie DEMs (digitale Höhenmodelle) oder Landbedeckungs-/Nutzungsdatensätze, durchgeführt werden. Mit Hilfe von DEMs lassen sich beispielsweise hydrologische oder Erosionsprozesse simulieren und Informationen über mögliche Zukunftsszenarien gewinnen. Im Allgemeinen können diese Arten von Karten und Produkten auf der Grundlage früherer Analysen oder Ereignisse konzipiert werden.
Die Langzeitüberwachung von ACH-Standorten konzentriert sich im Allgemeinen auf sich langsam entwickelnde Phänomene über längere Zeiträume, die häufig mit geologischen Bewegungen oder klimatischen Veränderungen zusammenhängen. So würden wir beispielsweise die InSAR-Zeitreihenanalyse (Interferometric Synthetic Aperture Radar) nutzen, um geologische Bewegungen wie Bodensenkungen zu überwachen, aktuelle und vergangene Daten zu betrachten und künftige Trends zu prognostizieren. Diese Art von Studien kann mit Hilfe von Diensten wie LiCSAR und LiCSBAS oder kommerzieller Software wie ENVI SARscape oder GAMMA durchgeführt werden. Dies kann auch auf große Gebiete, auf staatlicher oder nationaler Ebene angewandt werden, um Hotspots (z. B. Senkungen) zu überwachen. Für die Zeitreihenanalyse von Satellitendaten sind cloud-basierte Technologien wie GEE (Google Earth Engine) in der Fernerkundungsgemeinschaft sehr beliebt und können auch für ACHS verwendet werden. Die Verfolgung von Veränderungen im Laufe der Zeit mit der Methode der kontinuierlichen Landveränderungsüberwachung (CCDC) kann uns beispielsweise helfen, potenzielle Gefahren im Laufe der Zeit zu erkennen.
Schlussfolgerung
Neben der Fernerkundung gibt es weitere Möglichkeiten und potenziell nützliche Datenquellen für die Überwachung des Kulturerbes und die Schadensbewertung. Dazu gehören soziale Medien und das lokale Netzwerk von Archäologen oder Freiwilligen, die bereit sind, während oder nach einer Krisensituation Informationen über den Zustand von ACH-Stätten zu teilen. Um das Projekt und die Arbeitsabläufe weiterzuentwickeln, sind wir ständig auf der Suche nach neuen Sensortypen und Methoden, um unseren Bestand an Instrumenten und Daten zu aktualisieren. Das letztendliche Ziel unserer Einheit ist die Entwicklung eines automatisierten Überwachungssystems für ACH-Stätten weltweit (zumindest für eine ausgewählte Anzahl von weltweit repräsentativen Stätten). Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Denkmalschutz-, Katastrophenschutz- und Fernerkundungsexperten. Eine weitere Zusammenarbeit ist auch bei der Nutzung neuerer technologischer Entwicklungen wie Datenwissenschaft und KI erforderlich.

Pouria Marzban, Research Assistant – Remote sensing, BenjaminDucke, Head of IT department, Elvira Iacono, Research Assistant – GIS, Bernhard Fritsch, Data Steward – Deutsches Archäologisches Institut (DAI) – Scientific Computing Unit, ZWD
Auszug aus dem Artikel “IT infrastructure for cultural heritage response missions”, der ursprünglich im Technical Bulletin #4 von PROCULTHER-NET2 veröffentlicht wurde.